Goldrute e. V.: Stellungnahme zum Dürener CDU-Bürgermeisterkandidaten

Unsere Arbeit und unser Ziel

Die Beraterinnen des Migrantinnen-Netzwerks gegen häusliche Gewalt sind in ihrer Arbeit täglich damit konfrontiert, dass Frauen und Mädchen von psychischer oder körperlicher, sexualisierter Gewalt, Zwangsverheiratung oder Genitalbeschneidung bedroht sind. Das Migrantinnen-Netzwerk unterstützt die Mädchen und Frauen dabei, ihre eigenen Ressourcen zu aktivieren, um ihre aktuelle Lebenssituation verändern und ein Leben ohne Gewalt führen zu können. Unser Ziel ist, die Frauen und Mädchen zu stärken, sich aus der Gewaltsituation zu befreien und sie handlungsfähig zu machen für ein selbstbestimmtes, eigenverantwortliches Leben.

Migrantinnen stärken Migrantinnen

Die 15 Beraterinnen des Migrantinnen-Netzwerks stammen aus neun verschiedenen Ländern und Kulturen und sprechen 16 Sprachen. Dies ermöglicht ihnen die unmittelbare Kommunikation und Beratung der von Gewalt betroffenen Migrantinnen. Im Jahr 2019 haben die Beraterinnen 187 Migrantinnen aus 36 Herkunftsländern beraten. Insgesamt arbeiteten sie 2.228 Stunden. Im Jahr 2020 hat sich der Beratungsbedarf aufgrund der Corona-Pandemie bereits merklich erhöht. Häusliche Gewalt in der Corona-Krise ist für Frauen und Kinder ein zusätzliches Risiko. Für unsere Beratungsstelle liegt daher die Dringlichkeit darin, Gewaltschutz für Frauen und Mädchen auch in der Corona-Krise sicherzustellen.

Gewalt gegen Frauen

Gewalt gegen Frauen findet täglich statt. Auf der ganzen Welt. Sie wird unabhängig von kulturellem Hintergrund, Bildungsstand oder gesellschaftlichem Status ausgeübt. Weltweit erlebt jede dritte Frau – das sind eine Milliarde Frauen – in ihrem Leben körperliche oder psychische Gewalt. In Fällen von häuslicher Gewalt sind Frauen in der überwiegenden Zahl die Opfer, Männer üben in der überwiegenden Zahl körperliche oder psychische Gewalt gegen Frauen aus.

Als Beratungsstelle für von Gewalt betroffenen Frauen stehen wir bedingungslos auf der Seite der Frauen, die sich bei drohenden oder bereits geschehenen Gewalttaten hilfesuchend an uns wenden. Wir sind dabei darauf angewiesen, dass wir Unterstützung durch Polizei, Behörden und Gerichte finden, die Gewalttaten auf der Grundlage der geltenden Gesetze ahnden und verurteilen. Wir begleiten unsere Klientinnen ins deutsche Hilfesystem, das sie aufgrund sprachlicher Hürden und aus Unsicherheit bezüglich der Gesetzeslage in Deutschland selbst niemals von sich aus in Anspruch nehmen würden.

Wir sind ebenfalls auf die Unterstützung der Politik sowie der städtischen und kommunalen Verwaltung angewiesen, denn wir finanzieren unsere Arbeit zum größten Teil durch Projektgelder. Hierbei ist es gerade für uns von größter Wichtigkeit, dass wir den Menschen, mit denen wir zusammenarbeiten, bedingungslos vertrauen können. Wir müssen sicher sein können, dass sie unsere Ziele und Werte teilen. Wenn sie als Amtsträger Schirmherrschaften für unsere Aktionen übernehmen, müssen sie sich bei öffentlichen Auftritten glaubhaft gegen Gewalt an Frauen positionieren.

Stellungnahme zum Dürener CDU-Bürgermeisterkandidaten

Im Fall von Thomas Floßdorf, der als Kandidat der CDU Düren für die Bürgermeisterwahl im September 2020 antritt, kennen wir den berichteten Sachstand über einen massiven gewalttätigen Angriff auf seine ehemalige Lebensgefährtin im Jahr 2015 sowie die rechtlichen Folgen für ihn. Und wir kennen seine Stellungnahme vom 7. August 2020, die mit den Worten beginnt:

„Bevor ich dazu weiter Stellung nehme, möchte ich Eines voranstellen: Als Familienvater und Christ lehne ich jegliche Form von Gewalt ab. Ich habe vor fünf Jahren in einer für mich persönlich schwierigen Situation diesen Strafbefehl auch akzeptiert, weil er keinerlei Konsequenzen für mein erweitertes Führungszeugnis hatte und hat. Das Thematisieren dieses juristisch abgeschlossenen, privaten Vorfalls inmitten des Bürgermeisterwahlkampfs hat den Anschein, als wolle ‚Hans Wurst‘ mir nicht nur politisch, sondern auch privat und beruflich in großem Ausmaß Schaden zufügen.“

Wir können seine zurückliegende Tat nur anhand der bekannten Fakten bewerten. Die Gewalttat fand statt, er erhielt einen Strafbefehl und zahlte die verhängte Strafe. Seiner Stellungnahme entnehmen wir die Worte, dass er „als Familienvater und Christ“ Gewalt in jeglicher Form ablehnt. Zu seiner Tat selbst nimmt er nicht Stellung. Dagegen schreibt er, dass er sich als Opfer einer politischen Kampagne sieht, die durch die Offenlegung der Fakten seine Familie und sein politisches Fortkommen gefährdet.

Thomas Floßdorf möchte und muss keine Stellung zu seiner Tat nehmen. Wir können seine Einstellung zur Tat und den Konsequenzen, die er persönlich für sich daraus zieht, dann allerdings nur seiner Handlungsweise seitdem entnehmen. Hier konnten wir in den vergangenen Jahren nicht erkennen, dass er sich aktiv eingesetzt hat, Gewalt gegen Frauen zu bekämpfen, wie die Beraterinnen des Migrantinnen-Netzwerks, die Kolleginnen von Frauen helfen Frauen Düren und alle anderen Mitstreiterinnen und Unterstützer es vehement und kontinuierlich tun.

Wir haben keine Kenntnis davon, dass er seine Möglichkeiten als langjähriger Stadtrat und stellvertretender Bürgermeister genutzt hätte, um die Hilfsangebote für von Gewalt betroffenen Frauen in seiner Heimatstadt Düren zu sichern und auszubauen oder sich für Programme und Aktionen zur Gewaltprävention einzusetzen.

Wir kennen aus langjähriger Erfahrung die Worte und Reaktionen von Tätern nach Gewalttaten gegen Frauen. Und wir kennen ihre traumatisierten Opfer, deren Leben untrennbar mit den Gewalttaten verknüpft bleiben, die ein Leben lang darunter leiden.

Herr Floßdorf hat den „Strafbefehl auch akzeptiert, weil er keinerlei Konsequenzen für mein erweitertes Führungszeugnis hatte und hat“. Ein einwandfreies Führungszeugnis ist für die Ausübung eines politischen Amts selbstverständliche Voraussetzung. Von Aufrichtigkeit und Rückgrat zeugt aber nicht allein das Führungszeugnis. Davon zeugen Worte und Taten, die Integrität erkennen lassen. Die Worte seiner Stellungnahme haben uns beim Thema, um das sich unsere tägliche Arbeit leider dreht, nicht überzeugt, mit ihm gemeinsam glaubwürdig gegen Gewalt gegen Frauen in Düren kämpfen zu können. Dies wäre eine notwendige Grundlage für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit einem potenziellen Bürgermeister Thomas Floßdorf.

Der Vorstand von Goldrute e. V.