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Brückenbauerinnen für Migrantinnen und Flüchtlingsfrauen

Das Migrantinnen-Netzwerk gegen häusliche Gewalt bei One Billion Rising Düren 2017 auf dem Kaiserplatz

Das Migrantinnen-Netzwerk gegen häusliche Gewalt bei One Billion Rising Düren 2017 auf dem Kaiserplatz

Migrantinnen stärken Migrantinnen und Flüchtlingsfrauen

Seit sieben Jahren bietet das Migrantinnen-Netzwerk gegen häusliche Gewalt (MN) Frauen und Kindern mit Migrationshintergrund, die von Gewalt betroffen sind, sowie seit 2015 verstärkt auch Flüchtlingsfrauen Beratung und Unterstützung in Stadt und Kreis Düren an.

Für den Gemeindebrief April/Mai 2017 der Evangelischen Gemeinde zu Düren hat unser Vorstandsmitglied Birgit Schmidt-Hurtienne einen Beitrag über Goldrute e. V. und das Migratinnen-Netzwerk gegen häusliche Gewalt verfasst. Darin gibt sie einen Überblick über unsere bisherige und aktuelle Arbeit mit Migrantinnen und traumatisierten Flüchtlingsfrauen sowie über die Entstehung des Migrantinnen-Netzwerks und unseres Vereins.

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Brückenbauerinnen für Frauen in Notsituationen
Goldrute e. V. – Migrantinnen-Netzwerk gegen häusliche Gewalt

Melda (Name geändert) ist 45 Jahre alt und wohnt seit Sommer 2008 im Kreis Düren. Sie kommt aus der Türkei, wo sie ihren deutschen Partner kennenlernte, der 26 Jahre älter ist. Sie führten ca. 3 Jahre eine Fernbeziehung, bis ihr der Partner 2009 einen Heiratsantrag machte. Er wollte, dass sie zu ihm nach Deutschland zieht. Melda war unsicher, da sie in der Türkei einen guten Job als Managerin und eine eigene Wohnung hatte. Trotzdem entschied sie sich für einen Umzug, da ihr Partner sich nicht vorstellen konnte, in der Türkei zu leben. Vor ihrem Umzug heirateten sie.

Im Kreis Düren angekommen, wurde ihr Ehemann im Laufe der Zeit immer aggressiver. Neben ständigen Beleidigungen, auch vor anderen, kam es immer häufiger zu Konflikten. Melda hatte es in ihren ersten Monaten in Düren schwer, da sie die Sprache nicht kannte und keinen Kontakt zu anderen Menschen pflegen konnte. In ihrer Heimat hatte sie stets gearbeitet und war selbstständig, daher war es für sie besonders belastend, finanziell von ihrem Ehemann abhängig zu sein. Ihr Mann verbot ihr den Kontakt mit ihrer Familie in der Türkei. Seine Familie war von Anfang an gegen die Beziehung und vermied jeglichen Kontakt zu ihr. Die Situation spitzte sich immer weiter zu. Schließlich begann der Mann, Melda zu schlagen. Er redete ihr ein, sie hätte zu tun, was er wolle, sonst würde er die Ausländerbehörde mit ihrer Abschiebung beauftragen. Bei einem gemeinsamen Aufenthalt in der Türkei drohte ihr Ehemann, ohne sie nach Deutschland zurück-zureisen, falls sie nicht gehorche.

In ihrer Verzweiflung rief Melda die Notfallnummer des Migrantinnen-Netzwerks an und erfuhr, dass sie einen sicheren Aufenthaltsstatus in Deutschland hat. Zurück in Düren, wandte sich Melda an das Migrantinnen-Netzwerk gegen häusliche Gewalt, um einen Neuanfang durch Trennung von ihrem Ehemann zu wagen.

Migrantinnen stärken Migrantinnen

Seit nunmehr sieben Jahren bietet das Migrantinnen-Netzwerk gegen häusliche Gewalt (MN) Frauen und Kindern mit Migrationshintergrund, die von Gewalt betroffen sind, Beratung und Unterstützung in Stadt und Kreis Düren an. Häusliche Gewalt meint dabei körperliche oder seelische Gewalterfahrung durch den aktuellen Ehemann, Partner, Ex-Partner oder ein Familienmitglied.

Die Beraterinnen des MN stammen aus acht verschiedenen Ländern und Kulturen, wie etwa aus der Türkei, aus Russland, aus dem Irak, dem Kongo, dem Kosovo, aus Tschetschenien. Sie alle kennen den Lebensalltag in mindestens zwei Kulturen und sind durch Weiterbildungen qualifiziert im Umgang mit von Gewalt betroffenen Frauen. Diese finden beim Migrantinnen-Netzwerk Schutz und Sicherheit und werden auf ihrem Weg in ein gewaltfreies Leben unterstützt. Auch Angehörige, Freundinnen und Bekannte der betroffenen Frauen finden Hilfe und Unterstützung, und seit 2015 werden auch Flüchtlingsfrauen kostenlos und vertraulich beraten.

Seit Gründung des Vereins Goldrute e. V. im Oktober 2012 haben insgesamt circa 450 Migrantinnen mit ihren Kindern die Beratung des Migrantinnen-Netzwerks in Anspruch genommen.

Wie alles begann

Der Verein Goldrute e. V. basiert auf dem Modellprojekt „Migrantinnen-Netzwerk gegen häusliche Gewalt – Anerkennung und Aktivierung von Selbsthilferessourcen von Migrantinnen“, das von August 2009 bis Juli 2012 in Trägerschaft der Evangelischen Gemeinde zu Düren realisiert wurde. Bereits im Jahr 2007 signalisierte die Polizei Düren, dass die Einsätze der Polizei in Fällen von häuslicher Gewalt in Familien mit Migrationshintergrund über 80 Prozent ausmachten. Da sie wiederholt in denselben Familien stattfanden, war es notwendig, ein adäquates Hilfsangebot gezielt für Familien mit Migrationshintergrund zu gestalten.

Für Frauen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind, gab es in Stadt und Kreis Düren bereits ein breites Netz an Hilfs- und Beratungseinrichtungen, wie z.B. die Beratungsstelle „Frauen helfen Frauen“, die auch das Frauenhaus in Düren mit acht Betten betreut. Auch diese Beratungsstelle beobachtete, dass Frauen mit Migrationshintergrund erst Hilfe in Anspruch nehmen, wenn sie Schutz durch die Aufnahme in einem Frauenhaus benötigen. Die Zahl der Frauen im Frauenhaus Düren war vergleichbar mit dem bundesweiten Durchschnitt. Der Anteil von Frauen mit Migrationshintergrund betrug mehr als 50 Prozent. Präventive Beratung nahmen Frauen mit Migrationshintergrund allerdings sehr viel weniger in Anspruch.

Gefördertes Modellprojekt: Das Migrantinnen-Netzwerk

Aufgrund dieser Umstände wurde in der Evangelischen Gemeinde zu Düren ab 2007 am Aufbau eines passenden Hilfsangebots gearbeitet. Mit Hilfe der damaligen Leiterin der Stabstelle für Migrationsangelegenheiten Sybille Haußmann (heute Leiterin des Amtes für Schule, Bildung und Integration des Kreises Düren), der Presbyterin Jürin Fritzlar und der Pfarrerin Susanne Rössler, bei der Evangelischen Gemeinde zu Düren für die Flüchtlings- und Migrationsarbeit zuständig, wurde ein Konzept für ein sensibles Hilfsangebot erarbeitet.

Anschließend wurde eine entsprechende Förderung für diese besondere Arbeit gesucht. Gefunden wurde sie im Jahr 2009 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Das Projekt „Migrantinnen-Netzwerk gegen häusliche Gewalt – Anerkennung und Aktivierung von Selbsthilferessourcen von Migrantinnen“ wurde als Modellprojekt unter der Leitung von Hava Zaimi drei Jahre gefördert und wissenschaftlich begleitet.

Um die sehr erfolgreiche Arbeit der Brückenbauerinnen auch nach der Projektlaufzeit nachhaltig abzusichern, schlossen sich Unterstützerinnen und Unterstützer aus der Evangelischen Gemeinde zu Düren, aus der Politik und andere aktive Bürgerinnen und Bürger aus Stadt und Kreis Düren zusammen und riefen am 26. Oktober 2012 den gemeinnützigen Verein Goldrute e.V. als Förderverein des Migrantinnen-Netzwerks ins Leben. Frau Dr. Kesdoğan übernahm gern den Vorsitz des Fördervereins, da sie aus ihrer eigenen Praxis als Gynäkologin wusste, wie oft Frauen von häuslicher Gewalt betroffen sind und wie sehr hier ein passendes Angebot auch für Migrantinnen gebraucht wird.

Als Symbol für die Arbeit der ehrenamtlichen Brückenbauerinnen wählten die Mitglieder die Heilpflanze Goldrute, deren Blätter als wirksame Erste-Hilfe-Maßnahme bei der Stillung von Blutungen dienen.

Dauerhaftes Hilfsangebot für Frauen mit Migrationshintergrund

Die Bedürfnisse von Migrantinnen, die von Gewalt betroffen sind sehr unterschiedlich. Daher erfordert ihre Unterstützung spezifische Kenntnisse, insbesondere der jeweiligen Sprache und Kultur. Viele Migrantinnen haben ihr familiäres Unterstützungsnetz zurückgelassen und treffen in Deutschland auf ein neues, unbekanntes und ihnen oft völlig fremdes Leben.

Migrantinnen, die häusliche Gewalt erfahren, sehen sich zusätzlich mit vielen weiteren Problemen konfrontiert. Sie sind sich unsicher über ihren Aufenthaltsstatus und verfügen nur über mangelnde oder keine Kenntnisse über ihre Rechte und Möglichkeiten. Meist sind sie einem erhöhten Gefahrenpotenzial ausgesetzt, das nicht nur vom Ehemann sondern von der ganzen Familie ausgeht. Hinzu kommen Sprach- und Verständigungsschwierigkeiten und die Residenzpflicht bei Flüchtlingsfrauen.

„Wenn sich die Migrantinnen aufgrund von Angst, Scham und Sprachbarrieren nicht in der Lage sehen, aus der Gewaltspirale selbstständig herauszukommen, dann können die ‚Brückenbauerinnen‘, die bereits mit dem bestehenden Hilfesystem in Stadt und Kreis Düren vernetzt sind und selber Migrationshintergrund aufweisen, kompetente, vertrauliche und vor allem schnelle Hilfe anbieten“, erklärt Hava Zaimi, 2. Vorsitzende von Goldrute e. V.

Beim Migrantinnen-Netzwerk werden Betroffene mit allen notwendigen Informationen und praktischen Hilfen versorgt. Sie werden zu ihrer Aufenthaltserlaubnis und Jugendhilfen von Jugendämtern beraten und erhalten Informationen über Frauenhäuser in NRW. So helfen die Beraterinnen ihnen dabei, angstfrei erste Schritte eines Neuanfangs zu wagen und neue Zukunftsperspektiven für sich und ihre Kinder zu entwickeln.

Hilfe für traumatisierte Flüchtlingsfrauen

Seit 2015 ist die Arbeit mit traumatisierten Flüchtlingsfrauen ein weiterer Schwerpunkt der Beratungsarbeit des Migrantinnen-Netzwerks. Gefördert vom NRW-Landesministerium für Gesundheit und Emanzipation nahmen die Beraterinnen an Fortbildungen teil, um auch mit Frauen, die von Flucht, Verfolgung und Krieg traumatisiert sind, arbeiten zu können. Das MN kooperierte bei diesem Projekt mit „Frauen helfen Frauen“ in Düren und Jülich.

Aus eigener Erfahrung weiß MN-Beraterin Roonak Aziz, die selbst aus dem Irak nach Deutschland flüchtete, dass viele Opfer von Gewalt nicht von sich aus über ihre Erfahrungen sprechen. Hier braucht es Zeit und viel Sensibilität, bis genügend Vertrauen aufgebaut ist. Dass die Beraterinnen dieselbe Sprache wie die Betroffenen sprechen, hilft allerdings ungemein und macht das MN zu einem wichtigen und unverzichtbaren Baustein unter den Hilfsangeboten in Düren. MN-Koordinatorin Nermin Ermiş berichtet, dass sich das Migrantinnen-Netzwerk im Rahmen des Projekts „Beratung und Unterstützung von Gewalt betroffenen und traumatisierten Flüchtlingsfrauen“ im Jahr 2015 und 2016 bisher um 165 traumatisierte Flüchtlingsfrauen aus 25 Herkunftsländern gekümmert hat. Und nach der ersten Beratung ist die Arbeit nicht beendet, sie beginnt damit erst.

One Billion Rising: Die Kette der Gewalt durchbrechen

Häusliche Gewalt ist nach wie vor sehr stark tabuisiert. Umso wichtiger ist es, das Schweigen darüber und damit auch die Kette der Gewalt zu brechen. Ein Drittel aller Frauen und Mädchen weltweit erfährt im Laufe des Lebens körperliche oder seelische Gewalt. Nach der Statistik der Vereinten Nationen sind das eine Milliarde Menschen – im Englischen: one billion. Die New Yorker Künstlerin Eve Ensler rief 2012 deshalb die internationale Kampagne One Billion Rising (OBR) ins Leben, die jedes Jahr am Valentinstag zum Tanz gegen Gewalt an Frauen und Mädchen animiert. Ziel der Initiative ist, dass sich diese Milliarde Menschen auf der ganzen Welt erhebt, um ein Zeichen gegen Gewalt zu setzen und so lange zu tanzen, bis sie beendet ist. Seitdem tanzen jedes Jahr am 14. Februar Menschen auf der ganzen Welt gemeinsam eine kraftvolle Choreographie zum Lied Break The Chain. Die Kampagne ist mittlerweile eine der größten und medienwirksamsten Tanzdemonstrationen der Welt.

Erhebt euch! Befreit euch! Tanzt!

Im März 2013 entstand auf Initiative des Migrantinnen-Netzwerks die Gruppe One Billion Rising Düren, die am 14. Februar 2014 erstmals die Tanz-Aktion gegen Gewalt gegen Frauen und Mädchen in Düren veranstaltete. Weit über 200 Städte in ganz Deutschland und über hundert Nationen weltweit beteiligen sich jährlich an der Veranstaltung. Der große Erfolg der Veranstaltungen 2014 und 2015 in Düren zeigte, dass auch die Menschen in unserer Stadt die Jahrtausende alten Mauern der Ungerechtigkeit angesichts der Gewalt gegen Frauen und Mädchen zum Wanken bringen wollen. Unter der Schirmherrschaft von Landrat Wolfgang Spelthahn und Bürgermeister Paul Larue organisierte Goldrute e. V. die Aktion 2017 nun schon zum dritten Mal. Dieses Mal in Kooperation mit der Gleichstellungsbeauftragten des Kreises Düren Andrea Kenter, der Frauenbeauftragten der Stadt Düren Christi-na van Essen, dem Dürener Frauenforum und Frauen helfen Frauen e.V. Düren.

One Billion Rising Düren erreicht Jahr für Jahr mehrere Hundert Menschen, Mädchen und Jungen, Frauen und Männer. Über den gemeinsamen Tanz wird das sensible und doch so wichtige Thema in die Köpfe und Herzen der Menschen transportiert und hilft dabei auch, über das Thema zu sprechen und im Notfall Beratungsangebote in Anspruch zu nehmen.

Sie können mit einer Spende dazu beitragen, dass in unserer Region Frauen mit Migrationshintergrund und ihre Kinder in Fällen von häuslicher Gewalt Beratung und Hilfe finden, dass weiterhin eine Brücke zwischen den betroffenen Frauen und dem vorhandenen Hilfesystem gebaut wird und frauenrelevante Themen immer wieder in die Öffentlichkeit gebracht werden.

Mit kleineren Geldspenden könnten wir regelmäßige Supervisionen und weitere Schulungen für unsere Beraterinnen finanzieren. Mit größeren Geldspenden könnten wir notwendige Projekte, z. B. mit Kindern und Jugendlichen durchführen. Mit regelmäßigen Geldspenden helfen Sie, die Kontinuität unserer Arbeit zu gewährleisten.

Birgit Schmidt-Hurtienne
(Vorstand Goldrute e. V.)

Goldrute e. V. – Migrantinnen-Netzwerk gegen häusliche Gewalt
Schenkelstraße 9 a – 52349 Düren
www.goldrute-ev.de
E-Mail: info@goldrute-ev.de

Ansprechpartnerin Migrantinnen-Netzwerk:
Frau Nermin Ermiş – Koordinatorin der Brückenbauerinnen
Mobil: +49 (0)157 770 230 82

Ansprechpartnerin Verein Goldrute e. V.:
Frau Hava Zaimi – stellvertretende Vorsitzende
Tel.: +49 (0)2421 188 187
Fax.: +49 (0)2421 188 201

Spendenkonto:
Goldrute e. V.
Sparkasse Düren
IBAN: DE14 3955 0110 1200 6726 48
BIC: SDUEDE33XXX