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Was Rechtsextremismus mit Gewalt gegen Frauen zu tun hat und warum es so wichtig ist, darüber zu sprechen

Was hat Rechtsextremismus eigentlich mit Frauenverachtung zu tun? Eine Betrachtung, die viel zu oft zu kurz kommt und der grundsätzlich aber auch gerade mit Blick auf die derzeitigen Entwicklungen besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden darf.

von Julia Hoffmann, Vorstand Goldrute e. V.

Goldrute e. V. und das Migrantinnen-Netzwerk gegen häusliche Gewalt sind spezialisiert auf die Beratung und Betreuung von Frauen mit Migrationshintergrund, die häusliche Gewalterfahrungen gemacht haben. Im Rahmen unserer Tätigkeit werden wir sowohl mit Misogynie als auch Rassismus konfrontiert. Größtenteils kommen wir in Berührung mit doppelter Diskriminierung, die geflüchtete oder migrantisch gelesene Frauen erfahren. Mit doppelter Diskriminierung meinen wir den rassistischen Umgang im Verlauf. Die Bewertung der Gewalt, der Umgang mit den Frauen in Behörden oder Frauenhäusern und nicht zuletzt der öffentliche Diskurs. Diskriminierende Strukturen in der Gesellschaft und in den Behörden führen dazu, dass es Unterschiede in der Reaktion auf die Gewalttaten gibt und die betroffenen Frauen sich dementsprechend häufig allein gelassen fühlen und nicht ausreichend unterstützt werden.

Im Folgenden möchten wir jedoch das Augenmerk auf den grundsätzlichen Zusammenhang zwischen Rechtsextremismus und Frauenfeindlichkeit legen, denn Frauenhass ist tief in der Ideologie der Ungleichwertigkeit der extremen Rechten verankert. Wir möchten sensibilisieren, dass Rechtsextremismus und Antifeminismus AUCH zusammengedacht werden, denn immer wieder zeigen sich Antifeminismus und Frauenhass als verbindende Elemente rechtsterroristischer Gewalttäter. Dieser Zusammenhang ist wichtig, damit Gewaltdynamiken vollumfänglich verstanden werden und Prävention zielgerichtet stattfinden kann.

Rechtes Weltbild und Frauenfeindlichkeit

Feminismus, verstanden als eine Bewegung, die sich gegen Herrschaftsverhältnisse innerhalb der patriarchalen Gesellschaft einsetzt, steht den politischen Zielen der extremen Rechten grundsätzlich entgegen. Zu den rechten Weltbildern gehört eine binäre Geschlechterordnung: Der Mann wird als der Frau übergeordnet und überlegen angesehen. Dementsprechend werden auch Diversität oder fließende Kategorien abgelehnt. Gesellschaftliche Entwicklungen, die auf die gleichen Rechte für alle abzielen, werden als Bedrohung und Gefahr für die Aufrechterhaltung von patriarchalen Strukturen verstanden, da die Überlegenheit von Männern als selbstverständlich angenommen wird und essenzieller Bestandteil des rechten Rollenbildes ist.

Frauen mit Pflastern auf dem Mund

Publikation „Alles Einzelfälle?“ © Amadeu Antonio Stiftung

Bislang fehlte allerdings eine systematische Aufarbeitung und Analyse, die untersucht, welche Rolle die Abwertung von Frauen und Weiblichkeit bei rechter Gewalt, Übergriffen oder rechtsextremen Tötungsdelikten spielt. Die Publikation „Alles Einzelfälle? Misogyne und sexistisch motivierte Gewalt von rechts“, veröffentlicht im Jahr 2022 durch die Amadeu Antonio Stiftung füllt diese Leerstelle und zeigt eindrucksvoll die Verknüpfungspunkte zwischen dem misogynen Grundpfeiler der rechtsextremen Ideologie und der sich daraus ergebenden Gefahr physischer und psychischer Gewalttaten gegen Frauen auf. „Im rechtsextremen Denken spitzen sich die patriarchalen und hierarchischen Geschlechtervorstellungen zu und werden mit einer generellen Legitimation von Gewalt verkoppelt. Jemand, der misogyn ist, ist nicht unbedingt ein Vertreter der extremen Rechten, aber die extreme Rechte ist misogyn.“

Halle, Christchurch, Utøya – neben Rassismus war Hass auf Frauen ein entscheidendes Motiv

Am 9. Oktober 2019 versucht ein Mann, in eine Synagoge in Halle einzudringen, um die Gemeindemitglieder, die sich dort anlässlich des jüdischen Feiertags Jom Kippur zusammengefunden haben, zu erschießen. Als ihm dies nicht gelingt, erschießt er zwei Menschen, die zufällig seinen Weg kreuzten. Für den Attentäter war neben Antisemitismus und Rassismus, Frauenhass ein entscheidendes Motiv für seine Tat. In dem von ihm veröffentlichten Video beginnt er seine Erklärung damit, dass der Feminismus der Grund für die sinkenden Geburtenraten im Westen und dass dies die Ursache für die weltweite Massenmigration sei.

Im März 2018 ermordetet ein Mann in Christchurch 51 Menschen, in dem er in zwei Moscheen um sich schießt. In seinem „Manifest“ legt er nahe, dass der Angriff fremdenfeindlich motiviert war und gezielt Muslimen galt. Darüber hinaus gibt er dem Feminismus die Schuld, dass Frauen nicht genug Kinder bekämen und es deshalb zu einem „Bevölkerungsaustausch“ mit den Muslimen komme.

Der Norweger Anders Breivik, der 2011 in Oslo und auf der Insel Utøya insgesamt 77 Menschen erschoss, schrieb: „Das Erstarken des Feminismus bedeutet das Ende der Nation und das Ende des Westens“. Frauenfeindlichkeit spielt in Breiviks „Manifest“ eine ganz zentrale Rolle: Ganze Absätze schrieb er darüber, dass man sich daran gewöhnen müsse, Frauen umzubringen. Überlebende seines Attentats berichteten, dass sie den Eindruck gehabt hätten, er habe ganz gezielt junge Frauen umbringen wollen.

Warum ist das Erkennen des Zusammenhangs zwischen Gewalt gegen Frauen und Rassismus so wichtig?

In der öffentlichen Wahrnehmung wird die Tatsache, dass rechtsextreme Gewalt häufig mit Frauenhass einhergeht, oftmals nicht gesehen oder thematisiert. Wir möchten deswegen Zusammenhänge zwischen misogynen Motiven und rechter Gewalt aufzeigen, damit diese in Prävention und zivilgesellschaftlicher Auseinandersetzung angemessene Berücksichtigung finden.

Wie in der Publikation der Amadeu Antonio Stiftung beschrieben, muss „im Falle von Morden und anderen Gewalttaten an Frauen durch Personen, die einem rechtsextremen Weltbild anhängen, eine mögliche frauenfeindliche Motivation untersucht werden, denn bislang wird in Fällen von sexistischer rechter Gewalt von Gerichten und Ermittlungsbehörden häufig nur ein vordergründiges Tatmotiv untersucht und anerkannt. Bei genauerer Betrachtung ergibt sich jedoch auch die Möglichkeit eines mehrdimensionalen Motivs. Das Gleiche gilt für die Einordnung einer Tat als sexistisch, misogyn oder antifeministisch. Diese Abwertungsideologien sind kein Indiz dafür, dass der Täter auch politisch motiviert gehandelt haben kann.“

Haltung zeigen!

Als Demokrat*innen haben wir die Pflicht, Haltung zu zeigen. Frauen sind nach wie vor in besonderem Maße von spezifischen Gewaltformen betroffen, und es wird in der Öffentlichkeit nur wenig darüber gesprochen, welche Rolle geschlechtsbezogene Ideologien und die Abwertung von Weiblichkeit bei rechter Gewalt, Übergriffen oder rechtsextremen Tötungsdelikten spielen.

Es ist wichtig zu verstehen, dass wir in einer Welt der Interdependenz leben. Es geht uns an, was mit unserem Gegenüber passiert. Damit wünschen wir rege Diskussionen und viel Beschäftigung mit diesem unglaublich wichtigen Thema.